BDG-Newsletter

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2. Februar 2016

Wie werden wir arbeiten? Leseprobe aus der neuen BDG-Gründerfibel

Wie werden wir arbeiten?
Die Diskussion über die Zukunft unseres Berufs hat enormen Schwung aufgenommen. Einige Umrisse für die Zukunft werden erkennbar, die vor allem an diesen vier Punkten sichtbar werden:

1. Designer werden weniger in Agenturen arbeiten!
Die klassische Werbeagentur mit ungefähr 20 Mitarbeitern wird eine immer seltenere Erscheinung werden. Die Alltagsdesignjobs wie etwa das Anpassen eines Anzeigenmotivs oder die Pflege eines Katalogs werden zunehmend im Haus der Auftraggeber von Medienproduktionern übernommen. Für die Designagenturen bleibt der rein konzeptionelle Teil der Arbeit übrig. Es wird also weniger mittelgroße Agenturen geben, dafür mehr Kleinunternehmen und Einzeldesigner. Dazu wird es netzwerkartige Strukturen geben, die diese vielen kleinen Einheiten schnell und temporär verknüpfen können. Das wird neue Berufe wachsen lassen, wie zum Beispiel den des Designmanagers oder in der Designevaluation.

2. Kommunikationsdesigner werden Wege und Strukturen gestalten!
Wenn die Produktion und die serielle Umsetzung von Entwürfen aus den Händen der Designer in die Hände der Medienproduktioner wandert, wird unsere Kernkompetenz sichtbar: Wir können Strukturen erkennen, optimieren und kommunizieren. Bisher haben wir diese Fähigkeiten fast ausschließlich für Unternehmenskommunikation auf Papier oder Bildschirm verwendet. Wir werden unsere Kernkompetenzen in Zukunft jedoch in sehr viel mehr Bereichen einsetzen, zum Beispiel in sozialen Projekten oder in der Bildung. Die klassische Werbung wird sich ebenfalls stark verändern, da sie immer weniger beachtet wird. Unternehmen als Absender werden mit bezahlter Kommunikation nur dann beachtet werden, wenn sie einen relevanten gesellschaftlichen Kommunikationsbeitrag leisten. Dieser Beitrag kann zum Beispiel eine Initiative oder eine Positionierung zu einem sensiblen Thema sein. Es wird darum gehen, mit einer intelligenten Haltung verbunden zu werden, nicht mit einem simplen Kaufreiz.

3. Es wird viel mehr Anwender geben – und weniger Designer!
Die technischen Werkzeuge von uns Designern sind nahezu vollständig demokratisiert. Jeder hat Zugang zur Bildbearbeitung, jeder kann Vektorgrafiken erstellen, und jeder kann einen Film schneiden. Wir bieten also nicht mehr den exklusiven Zugang zu diesen Werkzeugen an, wie es unsere Kollegen vor 30 Jahren noch taten. Das, was wir anbieten, ist unsere Qualität der Lösungen. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Wenn also jeder Zugang zu den Designwerkzeugen hat, wird automatisch der Bedarf an qualitativ sehr hochwertigen Lösungen steigen, so wie es Tiefkühlgerichte und Profiköche gibt. Da die Reaktionszeiten immer kürzer werden, werden Lösungen gefragt sein, die schnell entstehen, aber einen breiten Bedeutungshorizont berücksichtigen können. Wenn jede Kommunikation das Potenzial hat, ein Unternehmen zu ruinieren, kommt den Kommunikatoren eine wichtige Rolle zu. Das begünstigt Designer mit breiter Allgemeinbildung und gesellschaftlichem Gespür. Es wird also einen Designermarkt geben für sehr hochwertige und belastbare Lösungen und einen Umsetzermarkt, der die Benutzung der Werkzeuge anbietet. Der Designermarkt wird deutlich kleiner sein als der Umsetzermarkt.

4. Der Zugang zum Designmarkt erfolgt über Bildung und Haltung!
Wenn Designer gefragt sein werden, die sich schnell in Themen eindenken können, ein breites Hintergrundwissen mitbringen und die Konsequenzen ihres Handels auf vielen Ebenen einschätzen können, dann wird sich der Zugang zu diesem Beruf stark über Bildung und Haltung regeln. Es braucht Zeit, Geld und das passende Umfeld, um diese Fähigkeiten zu erwerben. Die Ausbildung der Designer für den Designmarkt muss daher ihren Schwerpunkt von der Anwendung auf die Strategie verlegen. Diesem Anspruch in sechs Semester gerecht zu werden, wird nicht leicht sein.

Was heißt das für zukünftige Designer?

Wenn meine Vermutungen zutreffen, werden wir es mit einem Designermarkt zu tun haben, der breit ausgebildete, fähige Kommunikatoren braucht, die einen Dialog weit über Papier und Bildschirm hinaus denken können. Diese Designer werden nah an der Steuerung von Unternehmen und Projekten sitzen und müssen daher die Sprache der Steuerung und der Unternehmen verstehen und sprechen können. Diese Designer werden selbst weniger Logos gestalten oder Briefpapiere setzen, sondern den Korridor bestimmen, innerhalb dessen Entwurfsvarianten erstellt werden. Die Designer bewerten und integrieren. Sie zeichnen keine Icons, sondern Wege. Da dieser Designermarkt deutlich kleiner ist als die Summe der Designer heute, wird es einen erschwerten Zugang zu diesem Markt geben, aber auch deutlich höhere Verdienstmöglichkeiten. Die Designer, die diesen hohen Anforderungen nicht oder nicht ganz genügen, werden zusammen mit den Mediengestaltern im Umsetzermarkt ein Zuhause finden und innerhalb der vorgegebenen Korridore gestalten können.

Die Ausbildung der Designer wird sehr viel stärker den Fokus auf die Kommunikationsfähigkeiten legen müssen und weniger auf die Anwendung von Werkzeugen. Kommunikation lernt man durch das Kommunizieren, daher sollte die Ausbildung von im Beruf aktiven Designern geleitet und durch Forschung und Theorie ergänzt werden. Die Anzahl der Designabsolventen in Deutschland für diesen kleinen Designermarkt ist momentan deutlich zu hoch. Es wird also eine Spezialisierung der Hochschulen geben in Richtung Designer oder Anwender.

Wie auch immer sich unser Beruf verändern wird, wir werden ihn mit gestalten, und wir werden von dieser Gestaltung selbst geformt werden. Wir werden unser Fähigkeiten dort einsetzen, wo es geplante Kommunikation braucht. Wir werden weiter den schönsten Beruf der Welt mit Leben füllen, und dabei wünsche ich nicht nur viel Erfolg, sondern immer den richtigen Ton.

Dieser Text ist ein Auszug aus der neuen BDG-Gründerfibel von Christian Büning. Die zweite Auflage ist soeben erschienen. Mehr zur Fibel. 

Titelbild: pexels.com

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