BDG-Newsletter

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6. Mai 2015

Wie wird man eigentlich Gutachter für Design?

Jochen Hommen-Becker ist frisch gebackener Gutachter für Design. Der Designer (Jahrgang 1962) studierte bis 1989 visuelle Kommunikation an der FH Düsseldorf, bis 1995 bei H. F. & P., Agentur für Kommunikation, Düsseldorf, anschließend als Art Director bei BBDO in Köln. Seit 1996 ist er selbstständiger Designer mit eigenem Büro. Hommen-Becker arbeitet für u.a.: Continental AG, Klöckner & Co SE, Hydro Aluminium Deutschland GmbH, Aon Holding Deutschland GmbH, Sonepar Deutschland GmbH, Axa Investments Managers Deutschland GmbH, Inter Versicherungsgruppe. Jochen Hommen-Becker ist BDG-Designer seit 2001.

Ab wann wird ein Gutachter für Design zu einem Fall hinzugezogen?
Ein Sachverständiger wird immer dann hinzugezogen, wenn Zwei sich streiten und keine der Parteien ein entsprechendes Fachwissen besitzt, das zur Lösung des Streits führt. Dieser Fall muss nicht zwangsläufig ein Gerichtsverfahren sein, sondern kann auch im privaten Bereich zur Klärung eines Sachverhalts angesiedelt sein. Der Sachverständige wird dabei durch eine oder auch beide streitenden Parteien beauftragt. Der Sachverständige kann natürlich auch durch ein Gericht hinzugezogen werden, wenn die beiden Parteien sich bereits im Gerichtsverfahren befinden.

Im Bereich Design gibt es die unterschiedlichsten Fälle, bei denen der Sachverständige Fragen per Gutachten klärt. So beispielsweise bei Autoren-/Künstlerangelegenheiten wie z.B. die Feststellung der Künstlereigenschaft, die Feststellung der künstlerischen Gestaltungshöhe oder der eigenschöpferischen Leistungen, die Abgrenzung künstlerischer und gewerblicher Arbeit. Aber auch in designeigenen Fragen zu Konzeption und Visualisierung wie z.B. Layout, Gestaltung, Logoentwicklung, Webdesign, VKF-Maßnahmen, Präsentationen, Fotos, Corporate Identity/Corporate Design etc. kann ein Sachverständiger zur Klärung hinzugezogen werden. Ebenso sind Urheberrechtsfragen wie Ideenklau, Doppelschöpfung, Fälschung, Plagiat, Manipulation, schutzfähige und genehmigungspflichtige Bearbeitung oder die Bewertungen von marktüblichen Lizenzvergütungen, Copyright- und Nutzungshonoraren Felder für die Gutachtenerstellung. Und natürlich nicht zu vergessen: Klärung von Sachverhalten im weiten Bereich der Umsetzung und Produktion wie Druckvorlagen/Lithos/Scans/digitale Bildbearbeitung, Webseitenumsetzung, Qualitätsbeurteilung, Kostenbewertung, Produktionsfehler/Beschädigung/Mängel, Offset- und Siebdruck.

Worüber befinden Gutachter, die von Gerichten bestellt werden?
Sachverständige befinden ausschließlich über Sachverhalte. Hierzu stellt das Gericht dem Sachverständigen sogenannte Beweisfragen, die sehr unterschiedlich ausfallen können. Das Gericht fordert den Sachverständigen auf, im Rahmen der Beweisfrage/n bestimmte Themen zu erläutern und darzustellen und sein fachliches Urteil abzugeben. Die Beantwortung der Beweisfrage muss immer unparteiisch erfolgen – selbst in einem Privatgutachten, dass dann zu Lasten des Auftraggebers ausfallen wird. Der Sachverständige darf bei Gericht wie auch bei Privatgutachten unter keinen Umständen Rechtsfragen beurteilen oder gar beantworten.

Was muss ein Gutachter können, was muss er wissen?
Er muss vor allem einen hohen Sachverstand zu seinem Berufsfeld mitbringen, in dem er als Sachverständiger Gutachten erstellen möchte. Da hilft natürlich eine längere Tätigkeit im Berufsfeld und damit Erfahrung. Er muss wissen, wovon er spricht. Und er muss in der Lage sein, Dritten dieses zum Teil komplexe Fachwissen möglichst einfach und eindeutig darzustellen, um so zur Klärung des Sachverhalts beizutragen.

Daneben muss dem Sachverständigen klar sein, dass er sich zum Teil – gerade bei Gerichtsgutachten – mit trockenen Gerichtsakten und -gesetzen und natürlich Richtern und Parteien auseinander setzen wird, die keinen oder geringen Sachverstand haben. Das liegt nicht unbedingt jedem kreativen Kopf. Der Sachverständige sollte Spaß am Schreiben und Formulieren haben. Gutachten sind grundsätzlich schriftlich auszuführen. Wer ungern die Tastatur benutzt, um Worte und Sätze zu schreiben, die er sich ausdenkt, hat schlechte Karten.
Und der Sachverständige sollte aus meiner Sicht über einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn verfügen – das ist zumindest mein Hauptantrieb.

Wie sind Sie zum Gutachter geworden?
Das war mehr Zufall als geplant. 2008 hatte ich eine klassische Steuerprüfung, bei der das Finanzamt zum Schluss kam, dass ich entgegen der bis dahin gültigen Praxis gewerbesteuerpflichtig sei und so folgerichtig Gewerbesteuer in nicht unerheblichen Maße nachzuzahlen hätte. Es halfen keinerlei sachliche Argumente wie vermittelnde Gespräche mit dem Finanzamt, sodass die Sache vor dem Finanzgericht endete. Zwei während des Verfahrens erstellte Gutachten sowie ein drittes vom Gericht beauftragtes Gutachten haben letztendlich zur finalen Klärung des Sachverhalts und zur Wiederherstellung des Status Quo 2012 gesorgt. Vier Jahre Verfahrensdauer sind eine lange Zeit, die sich nicht unbedingt positiv auf die eigene Kreativität auswirken.

Burkhard Marowski war der von mir damals beauftrage Sachverständige, ein Kollege aus der Düsseldorfer BDG-Gruppe. Ohne ihn wäre ich vielleicht heute nicht mehr als Designer tätig. Das Thema Sachverständiger und Gutachten hat mich ab 2012 weiter begleitet, da viele meiner Kollegen im Düsseldorfer Raum von den Finanzämtern gewerbesteuerpflichtig gemacht wurden. Auch Burkhard Marowski fragte mich immer wieder, ob das nicht auch etwas für mich wäre. Und als er Anfang 2014 beschloss, in den wohlverdienten Ruhestand zu gehen, liess er nicht locker, bis ich versprach, in seine Fußstapfen zu treten.

Ein weiteres Argument war und ist, dass es nicht allzuviele Sachverständige in unserem Berufsfeld gibt. Sachverständige sind aber auch hier dringend notwendig. Und da ich selbst sehr wahrscheinlich ohne Sachverständige kein Recht bekommen hätte, möchte ich dem einen oder anderen Kollegen behilflich sein. Der Ausbildungsprozess ist schnell erklärt: über das IfS (Institut für Sachverständigenwesen) in Köln habe ich die notwendigen Grundkurse für die Tätigkeit als Sachverständiger erworben und werde sehen, ob die Praxis auch der Theorie gerecht wird.

Gibt es für den Bereich Kommunikationsdesign ausreichend fachkundige Kolleginnen und Kollegen? Welchen beruflichen Hintergrund muss ein Gutachter haben?
Es gibt im Gegensatz zu den klassischen Sachverständigenthemen wie KFZ und Bau nur eine sehr überschaubare Anzahl von Kollegen, die im Bereich des Kommunikationsdesign als Sachverständige tätig sind.

Der berufliche Hintergrund ist variabel. Wer als Sachverständiger tätig sein will, sollte eine hauptberufliche Tätigkeit im Bereich der Kommunikation als Hintergrund haben. Sei es als Kreativer oder Berater. Es gibt Kollegen und Kolleginnen, die ausgebildete Designer sind oder solche, die als Berater oder Juristen innerhalb der Branche tätig sind oder tätig waren. In jedem Fall sollte man die grundsätzlichen Abläufe und Entstehungsprozesse kennen.

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3 Kommentare zu diesem Beitrag vorhanden

  • Auch ich hatte vor vielen Jahren Probleme mit dem Finanzamt, wegen Gewerbesteuer.
    Musste auch eine Riesensumme nachbezahlen. Argument: Rechnungen an mich von Gewerbebetrieben (Druckerei) sind Gewerbesteuerpflichtig. Da hilft wohl auch kein Sachverständiger……

  • Und der Sachverständige sollte aus meiner Sicht über einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn verfügen – das ist zumindest mein Hauptantrieb.

    Na da hat einer nicht ausgepasst. Der Gutachter ist unparteiisch, dh. er gutachtet zur Sache, selbst wenn der Kläger im Prozess im Unrecht wäre geht das den Gutachter nichts an

  • Rechnungen an mich von Gewerbebetrieben (Druckerei) sind Gewerbesteuerpflichtig.

    Ja aber nur für die Druckereien :-))

    Probleme mit dem Finanzamt, wegen Gewerbesteuer.

    Eigentlich keine Sache des Finanzamts, sondern der Gewerbeämter

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